5 Tipps, um Chancengerechtigkeit in der eigenen Organisation zu fördern

Ein Gastbeitrag von Nora Beckmann von Talents4Good, der Personalberatung für
nachhaltige und soziale Unternehmen und den Non-Profit-Sektor.


Anonyme Bewerbungen, angepasste Prozesse oder Schulungen von Personaler*innen – all‘ dies können Maßnahmen für ein diversitätsorientiertes Recruiting sein. Damit ist es jedoch nicht getan: Die Förderung von mehr Chancengerechtigkeit und Diversität in der eigenen Organisation ist ein kontinuierlicher Lernprozess. Dieser muss auf allen organisationalen Ebenen stattfinden.

Wir haben fünf Tipps zusammengestellt, um nachhaltige Veränderungen in Ihrer Organisation zu erreichen.

Tipp #1: Diversität meets Antidiskriminierung

Sprache formt maßgeblich unsere (Organisations-)Kultur. Trotzdem besteht in einer
Organisation oder selbst in einzelnen Teams ein unterschiedliches oder unvollständiges
Verständnis von oft genutzten Begriffen. Üblicherweise wird die Idee der Diversität darauf reduziert, verschiedene Identitäten, Hintergründe und Erfahrungen in Organisationen und Gemeinschaften zu repräsentieren.

Doch allein das Vorhandensein unterschiedlicher Gruppen garantiert noch keine Chancengerechtigkeit. Ein immer noch aktuelles und simples Beispiel dafür ist ein hoher Anteil an weiblichen Beschäftigten bei gleichzeitiger fehlender Repräsentation von Frauen in Führungspositionen in vielen Unternehmen. Anstatt sich ausschließlich auf die Förderung von Diversität zu konzentrieren, lenkt Antidiskriminierung den Fokus auf die Notwendigkeit, Organisationen und die zugehörigen Prozesse und Annahmen strukturell zu hinterfragen. Diskriminierung betrifft nicht nur Einzelne, sondern unsere gesamte Gesellschaft.

Erkennen Sie nicht nur Unterschiede an, sondern fördern Sie aktiv den Abbau von
Ungerechtigkeiten in Ihrer Organisation, um eine inklusivere Arbeitswelt zu gestalten.
Dies beginnt bei der Sprache: Bei welchen Konzepten und Begriffen, die innerhalb Ihrer
Organisation genutzt werden, herrscht tatsächlich ein einheitliches Verständnis? Was
würde sich ändern, wenn Antidiskriminierung in den Fokus rücken würde?

Tipp #2: Alle Mitarbeiter*innen abholen und mitnehmen

Der Wandel zu einem chancengerechteren Unternehmen ist keine isolierte Aufgabe einzelner Gruppen oder Abteilungen. Die Personalabteilung kann die Initiative ergreifen und die Koordination von Maßnahmen übernehmen. Ein tatsächlicher Wandel erfordert jedoch das Engagement und die Unterstützung aller Mitarbeiter*innen auf allen Ebenen einer Organisation.

Die Einbindung aller schafft ein Gefühl der Gemeinschaft und fördert eine gemeinsame Vision von Gleichberechtigung und Inklusion. Gleichzeitig ermöglichen Partizipation und Einbindung aller, dass Bedenken geäußert oder Fragen beantwortet werden können. Sie als Personaler*innen erhalten ebenfalls die Möglichkeit, andere, individuelle Perspektiven zu berücksichtigen. Bevor Sie daher mit Statements oder gar einem fertigen Leitbild nach außen treten, sollten Sie Ihre Rolle als Personaler*in nutzen, um eine Mitarbeitendenbefragung durchzuführen und Workshops zum breiten Themenfeld Antidiskriminierung und Inklusion anbieten.

Tipp #3: Unangenehme Gefühle zulassen

Es ist wichtig, den Blick zunächst auf sich selbst zu richten. Das hilft dabei, vielfältigen
Perspektiven und Bedürfnissen in der eigenen Organisation Raum geben zu können. Denn
unsere Erziehung, unser persönliches Umfeld und gesellschaftliche Strukturen prägen
unsere Denkweise und Verhaltensmuster, einschließlich unbewusster Vorurteile oder
diskriminierender Stereotype. Diskriminierung liegt auch dann vor, wenn Sie unbeabsichtigt ausgeübt wird.

Schaffen Sie einen Rahmen in der eigenen Organisation, in dem über die eigenen Normen, Stereotype und Vorurteile reflektiert werden kann. Denn erlernte Muster und
Verhaltensweisen können zu (unbewussten) Diskriminierungen führen, die sich in
Handlungen, Aussagen und Entscheidungen widerspiegeln. Um dem entgegenzuwirken, ist (Selbst-)Reflexion entscheidend.


Diese Auseinandersetzung kann unangenehm sein und Reibung in der Organisation erzeugen. Wenn Sie aber Veränderungen herbeiführen und Strukturen schaffen wollen, die tatsächlich vielfältige Perspektiven und Bedürfnisse zulassen und berücksichtigen, ist Reflexion unerlässlich.

Der Wandel beginnt mit dem Bewusstwerden eigener Denkmuster. Nur dann haben wir die Möglichkeit, bewusst dagegen anzugehen. Dies kann durch Bildung zu Themen wie
Rassismus, Klassismus oder Sexismus, Trainings und Beratung zum weiten Themenfeld
Antidiskriminierung, Gespräche mit Betroffenen und das Hinterfragen unserer eigenen
Gedanken geschehen.

Tipp #4: (Finanzielle) Ressourcen einplanen

Wandel kann nicht allein auf Idealen basieren. Neben der tatsächlichen Bereitschaft
braucht es auch finanzielle und zeitliche Ressourcen, um Veränderungen in der
Organisation zu bewirken. Wir erleben allzu häufig, dass ein Wille zur Veränderung bei vielen Organisationsmitgliedern vorhanden ist. Engagierte Mitarbeiter*innen tragen ihr Wissen in die Organisation, welches sie außerhalb ihrer Arbeitszeit erwerben. Während Ihrer Arbeitszeit gibt es jedoch keine Möglichkeit, sich dem Thema anzunehmen, passende Strukturen und Austauschformate zu etablieren oder sich und andere weiterzubilden.

Schaffen Sie diese zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um Ihre Organisation tatsächlich weiterentwickeln zu können. Investieren Sie z. B. in externe Expertise, in Schulungen, in Infrastruktur und Personal. Externe Begleitung und Beratung ist wichtig, denn das Bearbeiten der Themen Diversität und Antidiskriminierung geht häufig mit schmerzhaften Erfahrungen einher. So stellen Sie einerseits sicher, dass Sie tatsächlich Veränderung anstoßen und Chancengerechtigkeit fördern. Andererseits ist es ein deutliches Signal für Ihr Engagement zur Schaffung einer inklusiven Kultur.

Tipp #5: Kompetenz vor Erfahrung

Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel im Auswahlprozess von Mitarbeiter*innen! Anstatt sich nahezu ausschließlich auf die Jahre an Berufserfahrung in der jeweiligen Position zu konzentrieren, gilt es, die notwendigen Kompetenzen für die Stelle stärker zu berücksichtigen.

Auch diese Fokusverschiebung fördert diversitätsorientierte Personalarbeit: Denn noch immer ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Personen mit Diskriminierungserfahrung(en) seltener die gewünschten beruflichen Erfahrungen mitbringen.

Konzentrieren Sie sich stärker auf die benötigten Kompetenzen für eine Position, wird sich Ihr Kreis von potenziell spannenden Kandidat*innen erweitern. So lässt sich das Potenzial von Personen identifizieren, welches bei der (ausschließlichen) Betrachtung der Berufserfahrung unentdeckt geblieben wäre. Achten Sie bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen verstärkt darauf, welche Kompetenzen hinter bestimmten Tätigkeiten stehen können. In einigen Fällen wird bereits dieser Hebel zu einer diversitätsorientierteren Personalauswahl führen.

Es gibt weiterhin viel zu tun und zu lernen. Lassen Sie uns als Personalschaffende
vorangehen und die Kultur in Unternehmen bewusst verändern – für mehr Lernräume und eine diskriminierungsärmere Kultur.

Nora Beckmann, Talents4Good
linkedin.com/in/norabeckmann


Foto copyright: Leonie Lorenz

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